Vorsicht Finanz-Influencer

In meinem heutigen Beitrag möchte ich mal die Zunft der Finanz-Influencer näher beleuchten. Da ich diesen Blog schreibe und auch auf anderen Social Media Kanälen regelmäßig poste darf ich mich getrost auch mit dazu zählen. Dabei möchte ich den Beitrag nicht nutzen um gezielt andere Personen runterzumachen. Es soll viel mehr darum gehen dir etwas die Augen zu öffnen und dich kritischer über das Thema denken zu lassen. Gerade wenn es um Geld und Finanzen geht sollte man kritisch die Dinge hinterfragen. Lass uns gleich einsteigen.

Was sind Influencer

Unter Influencer versteht man Personen die ihre starke Präsenz und ihr Ansehen in soziale Netzwerken nutzen um Produkte, Lebensstile oder sich selbst zu bewerben (siehe auch die genaue Erklärung auf Wikipedia dazu).

Ich unterscheide für mich drei Gruppen von Finanz-Influencer.

  • Hobby-Influencer: Für diese Gruppe zählt hauptsächlich der Spaß am Investieren und der gedankliche Austausch mit Gleichgesinnten. Und natürlich haben sie ein großes Mitteilungsbedürfnis. Anerkennung ist für sie die größte Belohnung. Zu dieser Gruppe zähle ich mich selbst. Ja ich habe zwar einen Gewerbeschein mein Ziel ist es aber nicht mit dem Blog hier meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich bin dankbar für jeden von euch der einen meiner Affiliate-Links benutzt. Dieses Geld hilft mir die Seite zu unterhalten.
  • Semi-Professionell: Diese Gruppe hat sich bereits entschieden sich selbstständig zu machen. Es wird aktiv an einer Community (ein Euphemismus für Kunden 😉 ) gearbeitet. Ein nicht unerheblicher Teil der gesamten Einnahmen stammen aus der Influencer-Tätigkeit (Affiliate, Kurse, Coaching, Kooperationen).
  • Profi-Influencer: Diese Gruppe lebt hauptsächlich durch die Einnahmen aus ihrer Influencer-Tätigkeit. Sie tun das in Vollzeit.

Konzepte und Inhalte

Ich möchte in diesem Abschnitt auf einige sich wiederholende Konzepte, Inhalte und Probleme eingehen und die für mich daraus resultierenden Gefahren für den Leser/Konsument aufzeigen.

Die Einzelaktie

Ein sehr beliebtes Thema ist die Vorstellung einer Einzelaktie. Es wird das Unternehmen und seine Produkte vorgestellt. Man geht auf die Geschäftszahlen ein und beleuchtet etwas die zukünftigen Geschäftsaussichten. Dr. Gerd Kommer nennt dies nicht zu Unrecht Investmentpornographie. Nicht nur viele Influencer sondern auch der Finanzjournalismus lebt davon. Jetzt darfst du auch auf mich einschlagen. Ich habe bei Instagram auch schon Unternehmen als Inspiration vorgestellt. Wir Menschen lieben einfach solche Geschichten. Im Endeffekt ist es aber nichts anderes als pure Unterhaltung.

Du denkst weil du die Bilanz eines Unternehmens lesen kannst kannst du das Unternehmen einschätzen? Die Geschäftszahlen sind nur ein Teil vom Puzzle. Großinvestoren, Banken und Hedgefonds beschäftigen ganze Abteilungen von Analysten. Und selbst sie sind nur Einäugige unter den Blinden. Beispiel gefällig? Welcher deutscher Influencer hat das Debakel mit Wirecard kommen sehen? Legendär das Interview der Mission Money mit dem Fondsmanger Dirk Müller. Ich habe es dir hier mal zum Spaß verlinkt.

Wirecard ist sauber

Das Vorstellen einer Aktie ist für mich so wie wenn der Nachbar bei mir über den Zaun ins Wohnzimmer schaut. Was in der Küche oder im Schlafzimmer passiert sieht er jedoch nicht. Sieh also solche Beiträge immer unter dem Aspekt der Unterhaltung.

Ich würde mir bei dem ein oder anderen deutschen Influencer in seinen Beiträgen mehr Distanz und das wiederholen eines Disclaimers wünschen. Im anglophonen Raum hat es sich mittlerweile durchgesetzt explizit darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Beitrag um Unterhaltung handelt.

Viele Influencer sind sich überhaupt nicht ihres Halo-Effektes bewusst. Follower kaufen Aktien blind nach obwohl der Influencer im Prinzip auch nicht weiß wie sich das entsprechende Unternehmen in der Zukunft entwickelt.

Die Community

Die Community ist ein ganz wichtiger Bestandteil des Influencerlebens. Die Community das sind die Menschen mit den der Influencer kommuniziert. Sei es über die Kommentarfunktion oder über Abstimmungen. Es suggeriert dir Nähe und ein fast schon freundschaftliches Verhältnis zum Influencer. Ja der Influencer wird für dich quasi zum Bestbuddy. Lass dich nicht täuschen. Die Community ist für den Influencer Kundschaft für seine Produkte und sie sorgt bestenfalls für mehr Reichweite um noch mehr Kunden zu erreichen. Ähm ich meine die Community zu vergrößern.

Ein weiterer häufig benutzter Begriff ist „unterstützen“. Stell dir mal vor du gehst zum Bäcker um Semmeln zu kaufen. Der Bäcker tütet dir gerade die Semmeln ein und fragt dich dabei ganz freundlich „Möchten Sie mich unterstützen?“. Nein, er will gefälligst ein paar Euros für die Semmeln von dir sehen. Gerade bei den Begrifflichkeiten sehe ich ein enormes Gefahren-potential. Die Wortwahl lässt auf Nähe, Freundschaft, Freiwilligkeit und eine vermeintliche Gemeinschaft schließen. Letztendlich geht es aber um ein Geschäft. Und du bist der Kunde.

Was aus 1000€ Investment geworden wäre

Hättest du vor 20 Jahren 1000€ in Apple Aktien gesteckt so wären jetzt 100.000€ daraus geworden. Krass oder? Ich finde solche oder ähnliche Beiträge auch sehr spannend. Leider beruhen sie auf einer kognitiven Verzerrung dem Rückschaufehler. Zum Zeitpunkt der hypothetischen Investition, Sommer 2000, wusstest du nämlich noch nicht das Apple ein Jahr später den IPod, einen revolutionären Musikplayer, auf den Markt bringen würde. Oder 7 Jahre später das erste IPhone. Ich würde mal ganz dreist behaupten das fast niemand Apple im Jahre 2000 richtig auf dem Schirm hatte. Im Nachhinein sind wir immer schlauer.

Niemand von uns hat eine Glaskugel und kann in die Zukunft blicken, auch nicht dein Lieblings-Influencer. Selbst die besten Profi-Investoren machen Fehlkäufe. Das machen sie übrigens trotz das sie Heerscharen von Analysten beschäftigen. Was kannst du aber für dich hier mitnehmen? Ein langfristiges Investment in Aktien lohnt sich. Da du aber nicht wissen kannst was die neue Apple oder Amazon sein wird ist es wahrscheinlich schlauer in den Gesamtmarkt zu investieren.

Influencer trifft Influencer

Gute Influencer haben begriffen das ihr Wert steigt desto mehr sie sich vernetzen. So ist es nicht verwunderlich, dass man häufig dieses Format bei Youtube sieht oder in einem Blogs liest. Ein Influencer stellt einen anderen Influencer vor. Für beide bringt es einen Vorteil. Follower (Communitymitglieder, nenne es wie du es gern möchtest) die zwar dem Einem folgen aber nicht dem Anderen lernen so jemanden neuen kennen. Da man seinem Influencer sehr viel Vertrauen entgegenbringt folgt man dann auch mit großer Wahrscheinlichkeit dem Anderen. Nach Außen wird jedoch etwas anderes kommuniziert. Und zwar das man sich vernetzt/trifft um Neues zu lernen. Das klingt auch besser als „hey du ich bringe dir meine Kundschaft im Austausch mit deiner Kundschaft“.

Transparenz

Transparenz und Offenheit ist ein Kernmerkmal in der Finanz-Influencer Szene. Vorgegeben wird dabei offen über Geld zu sprechen und damit das Thema zu enttabuisieren. Das kann natürlich für manchen Influencer tatsächlich ein Motiv sein. Folgendes ist aber in meinen Augen viel wichtiger.

  1. Man zeigt das man Skin in the Game hat. Soll heißen der Influencer weiß von was er spricht.
  2. Offenheit schafft Vertrauen. Das ist extrem wichtig wenn man Produkte verkaufen möchte.

Eine Gefahr sehe ich bei den gezeigten Summen und die möglichen Schlussfolgerungen. Wenn jemand zum Beispiel sein Portfolio von 500.000€ zeigt muss das noch lange nicht bedeuten, dass er ein guter Investor ist. Er kann nämlich auch ein sehr guter Geschäftsmann sein und durch seine unternehmerische Tätigkeit viel Geld verdienen. Lass dich nicht durch Zahlen verwirren. Es gibt deutlich mehr gute Geschäftsleute als gute Investoren in unserer Welt.

Interessenskonflikt

Stell dir mal folgendes vor unser Bundesfinanzminister tritt zur Pressekonferenz vor die Kamera. Er spricht über eine neues Gesetz das dem Bürger mehr Rechte gegenüber den Banken einräumt. Während du den Finanzminister betrachtest fällt dir auf, dass er heute mal nicht im Anzug vor die Presse getreten ist sondern in einem T-Shirt gesponsert durch den deutschen Bankenverband. Was empfindest du bei seiner Aussage?

Jetzt denkst du dir wahrscheinlich was für ein Quatsch. Natürlich ist das an den Haaren herbeigezogen. Obwohl es in Berlin von Lobbygruppen nur so wimmelt. Was denkst du aber jetzt über einen Finanz-Influencer, der dich von den Vorzügen eines Investments in Produkte eines baltischen Fin-Techs überzeugen will, während er im gleichen Moment ein T-Shirt genau dieses Fin-Techs trägt?

Bei kritischer Nachfrage an den Influencer würde sicherlich die Antwort kommen „ich lasse mich nicht beeinflussen“, „ich sage meine Meinung so wie es ist“. Das glaube ich nicht. Ein Influencer lebt direkt von den Einnahmen durch Produkte die er aktiv oder passiv bewirbt. Er hat also ein Interesse daran sie möglichst gut darzustellen. Das ist dann so wie mit einer Bank. Sie würde dir auch lieber eines ihrer teuren aktiv gemanagten Fonds als einen passiven Indexfonds anbieten. Man nennt das Interessenskonflikt und das musst du dir bei jeglichen Aussagen eines Influencers immer klar machen.

Ergänzend dazu. Gute Influencer bewerben Produkte hinter denen sie 100% stehen und die sie auch selbst benutzen. Das schließt eine Beeinflussung jedoch nicht aus. Jedoch Influencer die scheinbar wahllos verschiedenste Produkte bewerben sollte man meiden.

Das Thema Youtube

Ist dir das auch schon aufgefallen wie in den letzten zwei Jahren neue Finanz-Youtubekanäle aus den Boden schießen? Es scheint in der ganzen Republik nur so an Finanzprofis zu wimmeln. Sie wollen ihre besten Pilzsammelplätze mit uns teilen. Naja, ich denke die Wahrheit ist es lässt sich einfach verdammt viel Geld damit verdienen. Einfach ist es jedoch nicht und man muss gehörig Arbeit reinstecken. Zu mindestens am Anfang, wie ich später noch ausführen werde. Das Thema Finanzen lässt sich aber bei Youtube sehr gut monetarisieren. Dafür braucht man auch nicht eine extrem große Community. Hier habe ich ein Video vom Finanzbär verlinkt. Er ist sehr offen und geht transparent mit seinen Zahlen um. Er zeigt dir genau wie viel er mit Youtube verdient und welche Möglichkeiten es gibt. Die Einnahmen durch GoogleAds stellen nämlich im Regelfall nur einen geringen Teil der Gesamteinnahmen dar.

Youtube Einnahmen

Am Ende des Videos zeigt uns der Finanzbär wie viel Geld er mit welchen zeitlichen Aufwand verdient. Das klingt erst einmal ernüchternd, oder? Seine Aussage stimmt aber nur zum aktuellen Zeitpunkt. Was die Meisten nicht verstehen ist der Effekt von immer neuen Videos und das über lange Zeiträume. Der Aufwand zu den Einnahmen sinkt nämlich mit jedem neuen Video immer stärker ab. Ein Vergleich mit dem Zinseszinseffekt ist da gar nicht so abwegig. Und genau deswegen gibt es immer mehr Youtuber.

Ein Tipp für dich habe ich noch. Schaue dir die Beschreibungstexte unter den Videos eines Influencers genau an. Sie verraten manchmal mehr über die Motive des Influencers als die Videos selbst.

Sind Coaching und Kurse notwendig

Um es kurz zu machen „NEIN“. Aufwand und Nutzen stehen für einen Anfänger in keinem Verhältnis zu einander. Ich würde einem Anfänger der sich mit dem Thema Finanzen beschäftigen möchte immer erst einmal ein Buch wie das hier vom Gerd Kommer empfehlen. Es gibt aber darüber hinaus genügend weitere gute Literatur.

Warum sind Finanz-Coachings dann so im Aufwind? Ich kann es mir nur so vorstellen, dass man als Kunde denkt so schnell erfolgreich zu sein. Aber jetzt stell dir mal vor du gibst 399€ für ein Coaching aus. Wie hoch muss deine Anlagesumme sein um dein Invest innerhalb eines Jahres wieder reinzuholen? Es sind um die 20.000€. Daher meine Empfehlung kauf dir ein vernünftiges Buch und fange erst einmal selbst an.

Die selbsternannten Coaches, die dafür übrigens keine staatlich anerkannte Qualifikation benötigen oder einer Regulation unterliegen, haben vortrefflich erkannt wie man Vermögen aufbaut. Nämlich in dem man dem Goldschürfer die Schaufeln und Hacken teuer verkauft.

Fazit

Auch wenn ich ein Teil dieser Szene bin sehe ich sie immer kritischer. Besonders gefährlich empfinde ich die fehlende Distanz zwischen Influencer und Kunden sowie den Interessenskonflikt des Influencers. Vergiss das dir jemand aus Nächstenliebe „helfen“ möchte. Unser menschliches Verhalten beruht letztendlich immer auf Reziprozität. Und falls du dich jetzt fragst worum es mir geht. Anerkennung.

Foto von Goh Rhy Yan auf Unsplash


Leave a Reply

Your email address will not be published.